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Schulpatin Anita Lasker-Wallfisch zu Gast an der ESK

In den vergangenen Jahren haben sich Zeitzeugengespräche zu einem festen Bestandteil der schulischen und außerschulischen Behandlung des Themas NS-Geschichte an der Europaschule Köln entwickelt. Anita Lasker-Wallfisch (87), ehemalige Cellistin des Mädchenorchesters von Auschwitz, erwies der Schule bereits zum vierten Mal die große Ehre eines Besuchs. Darüber hinaus schätzt sich die ESK besonders glücklich, Frau Lasker-Wallfisch mittlerweile als Schulpatin gewonnen zu haben.

Am 19. Juni 2013 las Anita Lasker-Wallfisch vor Schülerinnen und Schülern des Grundkurses Religion des 11. Jahrgangs aus ihrer Autobiografie „Ihr sollt die Wahrheit erben“. Die Begegnung mit der Zeitzeugin, die vor allem dank ihrer musikalischen Begabung die Gefangenschaft in den Konzentrationslagern Ausschwitz und Bergen-Belsen überleben konnte, eröffnete den anwesenden Schülerinnen und Schülern einen Einblick in das Ausmaß der nationalsozialistischen Ausgrenzungs- und Vernichtungspolitik von Juden.

„Fragt uns, wir sind die Letzten.“

Mit diesen Worten eröffnete Frau Lasker-Wallfisch ihre Lesung. Denn Zeitzeugen seien wirksamer als jedes Geschichtsbuch. Die Schulpatin erzählte ihre Lebensgeschichte mit großer Präsenz und begann mit Erinnerungen an ihre behütete Kindheit in einer assimilierten deutsch-jüdischen Familie des Bildungsbürgertums in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Familie von Anita Lasker-Wallfisch hatte es zur damaligen Zeit nicht mehr rechtzeitig geschafft auszuwandern. Gründe dafür waren in erster Linie die Besorgnis des Vaters, der als Rechtsanwalt seinen bis dahin bestehenden juristischen Pflichten nachgehen und Deutschland trotz Judenverfolgung nicht den Rücken kehren wollte. Ihre Eltern und ihre Großmutter wurden letzten Endes deportiert. Über deren Schicksal wollte die Zeitzeugin gar nicht nachdenken, bemerkte sie lakonisch. Die Kinder, Anita und Renate, blieben zurück in der Stadt Breslau (heutiges Polen) und wurden zur Zwangsarbeit gezwungen. Frau Lasker-Wallfisch berichtete dann über die unfassbaren Schrecken des Aufenthaltes im Gefängnis sowie während der Zeit im Vernichtungslager Auschwitz.

Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich im Verlauf der Lesung sehr betroffen und stark  beeindruckt ob der klaren und mitunter sogar humorigen Art, mit der Frau Lasker-Wallfisch die erbarmungslosen Fakten vortrug. Das Cellospielen im Todeslager habe ihr das Leben gerettet, auch das ihrer Schwester Renate, die heute in Frankreich lebt.

Nach ihrem Vortrag lud sie die Schülerinnen und Schüler ein, sie als Zeitzeugin zu interviewen. U.a. hörte man folgende Fragen: - „Woher haben Sie die Hoffnung genommen, obwohl Sie den jüdischen Glauben nicht aktiv  praktizierten?“ – „Haben Sie noch schlimme Albträume und gab es damals eine therapeutische Unterstützung?“ – „Warum haben Sie sich das Tatoo nicht wegmachen lassen?“ Frau Lasker-Wallfisch nahm diese und viele andere Fragen gerne entgegen und gab den Schülern bereitwillig Auskunft: - „Psychologische Unterstützung habe ich nicht gebraucht. Wer hätte uns auch helfen können? Niemand hätte unsere Situation oder das, was wir erlebt haben, verstehen können“. - „Wichtig ist, an sich selbst zu glauben, wachsam zu bleiben und dafür Sorge zu tragen, dass Menschen in Frieden miteinander leben.“ - „Albträume habe ich keine, jedoch erinnere ich mich manchmal an meine Träume, wie beispielsweise an jenen, als ich in Breslau bin, das elterliche Haus aufsuche, es betrete und dann den Lichtschalter nicht finde.“

Gegen Ende der Lesung gab Frau Anita Lasker-Wallfisch noch zu bedenken, dass der Antisemitismus eine Gefahr sei, die noch nicht ausgestorben sei. Die jüngere Generation müsse sich dagegen stemmen. Die Menschen seien unterschiedlich, man solle ihnen diese Unterschiede lassen. Sie erinnerte die Schüler an ihre Botschaft: „Fragt Eure Großeltern, solange sie noch leben. Denn bald sind alle Zeitzeugen tot.“

Ulrich Gausling